In Hessen hat sich ein breites Bündnis gegen die Bezahlkarte für Asylsuchende gebildet, die zum 16.12.2024 eingeführt wird. Das Bündnis „Hessen sagt Nein! zur Bezahlkarte“ will die Bargeldbeschränkung der Karte durch Umtauschaktionen umgehen und setzt sich gleichzeitig für eine Abschaffung der Maßnahme ein.

Dabei nutzt das Bündnis eine Strategie, mit der sich die Zivilgesellschaft bereits in Hamburg und München erfolgreich gegen die Bezahlkarten zur Wehr setzt.

Bezahlkarten schränken Asylsuchende massiv in ihrer Selbstbestimmung ein: Mit der Bezahlkarte können sie nur noch dort einkaufen, wo Visa Debitkarten akzeptiert werden, sie können keine Überweisungen tätigen und vor allem nur 50 € Bargeld pro Monat abheben. Online-Einkäufe oder Barzahlungen auf Flohmärkten, in Sozialkaufhäuser oder für Schulausflüge sind nur einige Beispiele, die mit der neuen Regelung kaum noch möglich sind.

Hessenweit haben sich lokale Initiativen vernetzt, um gegen die Bezahlkarte zu protestieren. Als gemeinsames Bündnis „Hessen sagt Nein! zur Bezahlkarte“ fordern sie die Abschaffung der Karte in einer Petition auf WeAct von Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) und Ministerpräsident Boris Rhein (CDU).

Vor Ort wirbt die Initiative „Frankfurt sagt Nein! zur Bezahlkarte“, mit Slogans wie „Bares wird rares – nicht mit uns“ dafür, die Bezahlkarte über sogenannte Wechselstuben auszuhebeln. Auch in Gießen und Darmstadt haben sich bereits ähnliche Initiativen gebildet.

Die Wechselstuben funktionieren nach einem einfachen Prinzip: Asylsuchende können dort Einkaufsgutscheine, die sie etwa in Supermärkten oder Drogerien per Kartenzahlung erwerben, gegen Bargeld eintauschen. So wird die Bargeldbeschränkung der Bezahlkarte umgangen. Kurz vor Einführung der Bezahlkarten hatte die hessische AfD noch versucht, die Umtauschaktionen zu verhindern und Gutscheinkäufe mit der Bezahlkarte auszuschließen. Der Antrag wurde jedoch vom hessischen Landtag abgelehnt.

Der Weg für die Wechselstuben ist also frei: „Wir freuen uns über jede Spende zur Unterstützung der Wechselstuben und über alle, die sich in unserem Bündnis engagieren möchten. Gemeinsam können wir der Bezahlkarte ihre Wirkung nehmen – und so dem Rechtsruck ganz praktisch etwas entgegensetzen.“, so Johanna Stoll von „Frankfurt sagt Nein! zur Bezahlkarte“.

„Die Bezahlkarte ist ein weiterer Baustein einer rassistischen und menschenverachtenden Asyl- und Geflüchtetenpolitik“, so Stoll. „Gerechtfertigt wird die Bezahlkarte vor allem mit den seit Jahren wissenschaftlich widerlegten ‚Pull-Faktoren‘: Die häufigsten Fluchtgründe sind bekanntermaßen Krieg, Verfolgung, Klimakrise und akute Not. Die Bezahlkarte ignoriert diese Gründe und ist Teil rechtspopulistischer Symbolpolitik, die das Leben für Geflüchtete in Deutschland noch unerträglicher machen will.“

Auch das Argument, die Bezahlkarte würde gebraucht, um Zahlungen von Geflüchteten in ihre Heimatländer zu verhindern, sei nicht stichhaltig: Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von Dezember 2024 senden nur 7% der Geflüchteten Geld ins Ausland. „Indem Boris Rhein weiter behauptet, die Bezahlkarte würde einem angeblichen Missbrauch der minimalen Sozialleistungen vorbeugen, verbreitet er aktiv Desinformationen.“ Außerdem sei die Bezahlkarte entmündigend und leiste der Ausgrenzung und Stigmatisierung von Asylsuchenden weiter Vorschub, so Stoll weiter.

Das Bündnis geht zudem davon aus, dass die Bezahlkarte ein Testlauf ist, um die Einschränkung von Sozialleistungen auch auf andere Gruppen auszuweiten – aus der Reihe der CDU kam bereits der Vorschlag, ein ähnliches Modell für Bürgergeld-Empfänger*innen einzuführen.

Petition gegen die Bezahlkarte in Hessen:
https://weact.campact.de/petitions/nein-zur-bezahlkarte-in-hessen

Für die Wechselstuben wirbt das Bündnis auf Betterplace um Startkapital:
https://www.betterplace.me/gegen-die-bezahlkarte-in-hessen

An einer Mitarbeit Interessierte aus ganz Hessen können sich zudem per E-Mail an das Bündnis wenden: keinebezahlkartehessen@proton.me

Dem Bündnis gegen die Bezahlkarte in Frankfurt gehören engagierte Einzelpersonen an sowie lokale Initiativen und Organisationen wie die Seebrücke Frankfurt, die ehrenamtliche Beratungsstelle Café United, die Ada Kantine, Sea Eye Frankfurt oder auch die Beratungsstelle Pena.ger Frankfurt. Auch der hessische Flüchtlingsrat unterstützt das Anliegen der Tauschbörsen.

Pressemitteilung 16.12.2024